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Zur Geschichte des Schützenvereins Oberriedens SVO
Die Ursprünge des zweitältesten Oberiedener Schützenvereins lassen sich urkundlich bis in das Jahr 1870, dem eigentlichen Gründungsjahr des Vereins zurückverfolgen.
Wie kam es dazu und waren die Hintergründe?
Dazu ein kurzer zusammenfassender Rückblick in die Geschichte
Das am linken Zürichseeufer gelegene Weinbauerndorf Oberrieden zählte um das 18. Jahrhundert etwas mehr als 1100 Einwohner, die oft als Familien in verstreuten Weilern lebten. Das Zentrum der Stadt Zürich lag nur rund 11 Kilometer entfernt und die reizvolle Lage mit seinen sanft und terrassenförmig ansteigenden Zimmerberg bietet auch heute noch einen wunderschönen Ausblick auf den Zürichsee und die majestätischen Glarner Alpen. Weinreben schmückten die Abhänge zwischen der alten Landstraße und der unteren Bahnlinie und in just diesem Jahr konnte die oberen Bahnlinie Thalwil nach Zürich eingeweiht werden. Die damals imposante Station Oberrieden Dorf bot einen beeindruckenden Ausblick, jedoch musste diese Station noch mit Strassen erschlossen werden. Aufgrund von innerkantonalen Auseinandersetzungen über die Steuerhoheit kam es seit dem 16. Jahrhundert zwischen den Städten Zürich und Rapperswil im Raum Horgen immer wieder zu blutig geführten Auseinandersetzungen. Leittragende dieser Auseinandersetzungen um Macht, Einfluss und Steuereinnahmen war die lokale Landbevölkerung rund um Oberrieden, welche immer wieder zum Ziel von gewaltsamen und brutalen Übergriffen wurde. Da der versprochene Schutz des in Horgen ansässigen Vogtes oft zu spät oder gar nicht eintraf, führte dies in der Folge dazu, dass die Landbevölkerung begann, sich selbst zu bewaffnen, um Leben, Familie und Eigentum verteidigen zu können. Selbstverständlich wurde dieses eigenmächtige Verhalten des „Selbstschutzes“ von der zuständigen Obrigkeit nicht gerne gesehen. Wiederholte Male wurde versucht, die Landbevölkerung durch Drohungen und Einschüchterungen von dieser „Unsitte“ abzubringen, was aber an dem bodenständigen, uneinsichtigen und freiheitsliebenden Charakter der lokalen Bevölkerung scheiterte.
Den Bewohnern Oberriedens wurde schnell klar, dass ein geeigneter Ort fehlte, um den Umgang und die Handhabung mit den neuerworbenen Waffen üben zu können und das Schiessen auf Ziele zu praktizieren. Im Jahr 1715 wurde eine offene Parzelle am Hang als erster Schiessplatz ausgewählt, der sich an der Hueb befand. 1761 wurde die reformierte Kirche durch den bekannten Zimmermann und Baumeister Hans Ulrich Grubenmann erbaut und eingeweiht und im selben Jahr ein verantwortlicher „Hauptmann“ ernannt, der unter anderem für diesen Schießplatz und die dortigen Aktivitäten zuständig war. Häufig wurde dieser neue Ort statt zum Schiessen eher für einen geselligen Umtrunk unter Gleichgesinnten genutzt, was in vielen Oberriedner Familienhaushalten zu verständlicher Unruhe führte.
Einige Jahre später wurde der Oberriedner Schiessplatz an der Hueb zu einem richtigen Schützen-stand auch „Zielstadt“ genannt, ausgebaut. Dies führte im Bezirkshauptort Horgen sofort zu heftigem Widerstand. Dort fürchtete man die zunehmende wirtschaftliche Konkurrenz gegenüber der eigenen, für auswärtige kostenpflichtigen „Zielstadt“, wie auch sehr wahrscheinliche Einnahmeausfälle durch die nun ausbleibenden, geselligen Oberriedner Schützen.
Das Schiesswesen in der Schweiz wurde durch die 1850 erlassene Militärordnung vorwiegend militärisch organisiert und stützte sich am 12. September, 1848 erlassenen Bundesverfassung. Durch die neue Militärordnung wurde jeder Schweizerbürger vom 20. bis zu vollendeten 44. Lebensjahr militärsdienstpflichtig.
Gleichzeitig begann auch eine Standardisierung der Waffen, in der Einheiten der Infanterie mit Perkussionsgewehren, Scharfschützen mit Feldstutzern ausgerüstet wurden. Jeder Soldat nahm seine Waffen, gemäss dem gelebten Milizgedankens, mit nach Hause und pflegte diese auf eigene Rechnung. Damit verbunden war auch die Verpflichtung zum Absolvieren von jährlich mehreren Übungen mit diesen Waffen. Diese Verpflichtungen genügten offensichtlich nicht allen Ordonanzwaffenträgern, um die vorhandene Schiessfertigkeit zu festigen und zu erhöhen, weshalb auch in der Schweiz das „Flobertschiessen“ aufkam.
Diese vom Franzosen Louis Nicolas August Flobert im Jahr 1860 erfundenen, glattläufigen Handfeuer-waffen verschossen Geschosse, aus einer im Boden einer Patronenhülse eingelagerten Zündmasse, was einer Revolution im Schiesswesen gleichkam. Nach Einführung der „Einheitspartone“ begannen sich die Flobertgewehre als Übungs- und Ausbildungswaffen immer mehr zu etablieren und fanden Verwendung in Schiesssalons, den Vorläufer der heutigen Schiessbuden. Die Ausübung des Schiessports im kleinen Kostenrahmen lag bei der Verwendung dieser Waffe im Vordergrund, weniger die militärische oder jagdliche Bedeutung.
So entstanden gegen Ende der damaligen achtziger Jahre in der Schweiz die ersten Flobert-schützenvereine. Hierbei ist zu beachten, dass sich schon viel früher Schützenvereinigungen, Schützenzünfte und Schützengesellschaften gebildet hatten, die auf eine stolze, breitgewachsene und jahrhundertealte Schützentradition zurückgingen. Die Begeisterung für das kleinkalibrige Schiessen mit dem Flobertgewehr basiert somit auf einer alten Tradition sowie auf einer Weiterentwicklung des militärischen Schiessens und ist auch heute noch ein wichtiger Bestandsteil der Freizeitgestaltung von vielen engagierten Vereinsmitglieder.
Der Schützenverein Oberrieden SVO hat sich in den 150 Jahren seit seiner Gründung konstant weiterentwickelt. Er bietet neben einer stolzen Geschichte, seinen Mitgliedern neben hoch-stehenden Trainingsmöglichkeiten ferner die Gelegenheit mit außergewöhnlichen Athleten, wie Ernst Spiess und Fritz Pörtig, und bekannten Persönlichkeiten des Schiesswesens wie der mehrfachen charmanten Schweizer Meisterin auf 300 Meter Gewehr, Trudi Hegi und Ihrem humorvollen Ehemann Piere Hegi, zusammen zu kommen und wertvolle Erfahrungen auszutauschen zu können.
Am exemplarischen Beispiel dieser bemerkenswerten Athleten zeigt sich, wie stark sich der Schweizer Schiesssport in den letzten 30 Jahren gewandelt und als ein verbindender Breiten- und Spitzensport für alle etabliert hat.
Der heutige Schweizer Schiessport führt neben Jung und Alt, männliche und weibliche, Einheimischen und zunehmend auch auswärtige Schützen zu einem Gemeinsinn stiftenden Tun zusammenzukommen. Beim gemeinsamen Training des Schützenverein Oberrieden SVO finden sich alle gesellschaftlichen Berufe und Schichten wieder. Vom Bau Unternehmer, Arzt, Freiberufler, Bankenanalysten, Rechtsanwalt, Pensionär, Polizisten, Hausmeister, Aufzugsmonteur und Telekomspezialisten trifft man sich regelmässig, hoch oben über dem Zürichsee, um sich in freundschaftlicher Weise in einem sehr alten und spannenden Wettbewerb zu messen und anschließend in geselliger Runde die gemeinsamen Erfolge zu feiern.
Diese Mischung aus Wettkampf und anschließender kameradschaftliche Geselligkeit, macht diesen Sport seit über einhundertfünzig Jahren so abwechslungsreich und spannend und bildet ein verbindendes Band, das so manchen noch bestehenden Graben in der heutigen Gesellschaft mühelos überwindet. Diese wichtige, verbindende soziale Komponente ist, je länger je wichtiger und wir alle sollte Sorge tragen, dass dies auch in Zukunft so bleibt.
Anmerkung des Autors zu den zugrundeliegenden Quellen
Diese Arbeit kam im Februar 2021 durch die großzügige Unterstützung des Gemeindearchivs Oberiedens und dem hilfsbereiten und geduldigen Archivar, Herrn Werner Waldmaier zustande. Er hat sich die Zeit genommen und viele Fragen geduldig und sehr detailliert beantwortet , abgelegtes Archivmaterial, Zeitungsausschnitte sowie alte Notizenmit dem Autor zur Geschichte des Ortes wie auch des lokalen Schiesswesens zu suchen, sichten und zu fotokopieren.
Dafür gebührt ihm ein mein ganz herzlichem Dank.